Okinawa - Die Geburtstätte des Karate
In seiner heutigen Form ist Karate auf der japanischen Insel Okinawa entstanden. Im 14. Jhd war Okinawa Zentrum des Inselkönigreichs Ryukyu und unterhielt rege Handelskontakte zu Japan, China, Korea und Südostasien. Wie so oft in der Geschichte, geht mit regem Waren- auch ein Kulturaustausch einher. So kamen chinesische Kampftechniken wie Kempo oder Ch`uan-fa (das heutige Kung-Fu) nach Okinawa, wo sie sich mit dem einheimischen Kampfsystem Te (= Hand) vermischten. Auf den chinesischen Einfluss gehen auch die mentalen Aspekte des Karate zurück, die ihren Ursprung im Zen-Buddhismus haben.
Im Laufe der Geschichte war Okinawa unter verschiedener Besatzung. Zu diesen Zeiten war der Besitz von Waffen strikt verboten. Um sich gegen Übergriffe schützen zu können entwickelte die meist bäuerliche Bevölkerung das Okinawa-Te und Kobudo, das Alltagsgegenstände als Waffen nutzte. Mit der Weiterentwicklung der Techniken wurden diese Kampfkünste sehr effektiv, weshalb das Waffenverbot auf die Lehre der Kampkünste ausgedehnt wurde. Ab da wurden die Selbstverteidungungstechniken nur noch im Geheimen vom Lehrer an den Schüler weitergegeben, meist in wohlhabenden Familien und elitären Schulen. Schriftliche Aufzeichnungen gab es nicht. Okinawa-Te blieb bis Ende des 19. Jhds verboten.
Gichin Funakoshi - Begründer des heutigen Karate
Im Zuge der Meiji-Restauration 1875 wurde Okinawa japanische Präfektur. Damit öffnete sich auch die Gesellschaft und Karate trat wieder in die Öffentlichkeit bis es 1902 offizieller Teil des Schulsports wurde. Um diese Zeit wurde aus Okinawa-Te Karate. Gichin Funakoshi (*1868), Schüler der Meister Asato und Itosu Yasotsune, hatte großen Anteil an dieser schulischen Prägung. In den Jahren 1917 – 22 hat er durch Karate-Demonstrationen an Universitäten weiter die Aufmerksamkeit auf diese Kampfkunst gelenkt. In Japan erlebten die alten Kampfkünste eine Renaissance.
Funakoshi begründete so das Shotokan Karate, wie es später von seinen Schülern genannt wurde. Der Name rührt von Funakoshis Dojo "Shotokan" (Haus des Shoto) her. Er schrieb Gedichte unter dem Künstlernamen Shoto ("Pinienrauschen") und Kan bedeutet Haus oder Halle. Shotokan beinhaltet sämtliche ihm damals bekannten grossen Stile des Ch`uan-fa, was man noch heute an den Verschiedenheiten der überlieferten Meisterkatas erkennt. Meister Itosu entwickelte aus diesen Meisterkatas Schülerkatas (Pinan) zum besseren Erlernen der Künste. Gichin Funakoshi benannte sie dann in „Heian“ um.
Okinawa hatte viele Meister des Okinawa-te. Alle hatten dabei ihre eigenen Vorstellungen und Erfahrungen. Als sie den Erfolg Funakoshis erkannten, folgten ihm einige nach Japan. So entstanden weitere große andere Stilrichtungen, wie Gojo Ryu, Shito Ryu, Wado Ryu usw.
Mit der starken Präsenz des amerikanischen Militärs auf Japan nach dem zweiten Weltkrieg fand Karate den Weg in die USA und von dort aus in die ganze Welt.
Das DO des Karate-do
Den Begriff Do finden wir in fast allen Kampfkünsten wie z.B. Karatedo, Aikido, Judo, Kobudo, Taekwondo, Kyudo usw.
Do stammt aus dem japanischen Zen-Buddhismus und bedeutet: Weg, Pfad, Grundsatz, Lehre, Philosophie, Richtung, Prinzip, Methode usw. Do beschreibt den Weg über eine körperliche Übung das in einem Menschen innewohnende Potential zu erweitern. Dadurch erreicht er Sinnbestimmung und kann sein Leben mit Erkenntnis füllen. Erst das Do macht die Kampfkünste zu dem, was sie eigentlich sind: Möglichkeiten zur Selbstfindung und der Vervollkommnung der geistig-seelischen Fähigkeiten. Nicht der perfekte Sportler, sondern der im Denken, Handeln und Fühlen „ganze“ Mensch hat die höchste Stufe des Weges erreicht. Hier wird der buddhistische Einfluss sehr deutlich.
Es geht also weniger um Sieg oder Niederlage, sondern um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit durch Selbstbeherrschung und Konzentration.
Karatedo ist wie ein Baum
Ein fester Stamm,
(Tradition/Technik/Gesundheit)
starke Wurzeln,
(Verankerung im Ursprung/Verbindung zum realen Leben und Alltag)
verschiedene Äste,
(Kata/Zweikampf/Sport/Kinder/Senioren/Selbstverteidigung/Kunst)
grüne Blätter
(um das Licht der Erkenntnis aufzunehmen/Ziel des Do)
und saftige Früchte
(um weiterzugeben was empfangen wurde)
Shotokan und andere Stilrichtungen
"Karate ist nicht gleich Karate. Unter dem Dach des DKV haben sich zahlreiche Stilrichtungen versammelt, wobei die Unterschiede von Stilrichtung zu Stilrichtung mitunter nur Nuancen betragen. Hinzu kommt, dass bestimmte Stilrichtungen mehr oder weniger stark ausgeprägt und in Deutschland vertreten sind. Die Stilrichtungen Shotokan, Wado-Ryu, Goju-Ryu und Shito-Ryu sind von der World Karate Federation (WKF) und der European Karate Federation (EKF) anerkannt." (DKV Website, 18.05.2021)
Es gibt allerdings noch etliche Varianten wie Wadokai oder Tang Soo Do.
Wir praktizieren in Heddesheim Shotokan:
Shotokan ist weltweit der mit Abstand am meisten verbreitete Karate-Stil, der auch bei uns praktiziert wird. Er zeichnet sich durch einen tiefen Stand, der dynamische und kraftvolle Bewegungen ermöglicht, aus. Auch werden so im Training Muskulatur und Bänder gedehnt, um im Kampf eine große Reichweite zu haben. Jede Shotokan Technik kann sowohl im Angriff als auch in der Verteidung angewendet werden, Wendungen gehen in aller Regel vom hinteren Fuß aus. Shotokan ist eine dynamische, kraftvolle Stilrichtung weshalb sie im Sport weit verbreitet ist, was ja auch die ursprüngliche Intention war. Für die Selbstverteidigung gibt es effektivere Stilrichtungen. Allerdings sind auch im Shotokan viele "Geheimnisse" der alten Meister verborgen. Das Entdecken ist für den gewillten Karateka ein großes Abenteuer.
Wado-Ryu:
Beim Wado-Ryu wird die Angriffsenergie nicht so sehr geblockt sondern durch Umlenken und Ausweichen neutralisiert. Im gleichzeitigen(!) Angriff werden Hebel-, Wurf-, Tritt- und Schlagtechniken angewendet. Jede Technik geht mit einer Stellungsänderung und Gewichtsverlagerung einher. Bei den Katas werden die Unterschiede zum Shotokan sichtbar. Diese wirken im Wado-Ryu leichter, weniger kraftvoll, Abwehrtechniken lenken Angriffe um.
Goju-Ryu
Goju-Ryu ist in seiner Anmutung dem Wado-Ryu durchaus ähnlich. Verteidigungs-, Angriff- und Meidbewegungen werden mit dem ganzen Körper ausgeführt. Charakteristisch sind jedoch die effektiven Nahkampftechniken. Besondere Aufmerksamkeit wird im Goju-Ryu der Atmung gewidmet. Im Gegensatz zu den anderen Stilrichtungen werden aber auch weiche Techniken, wie Würfe und Würgegriffe, Arm- und Beinhebel und Bodenkampf gelehrt.
Shito-Ryu
Shito-Ryu kombiniert die langen Stellungen, Schnelligkeit im linearen Angriff und physische Kraft aus dem Shorei-Ryu mit der weichen Dynamik des Naha-te. Shito-Ryu ist eine fast artistische Stilart, die vom Wechsel zwischen hart und weich lebt. Im Shito-Ryu werden über 60 Katas gelehrt. Jede Kata beginnt mit einer Ausweichbewegung, die aber gleichzeitig einen Konter beinhaltet (siehe auch Wado-Ryu). Verteidigung ist immer auch gleich Angriff.
Ausserhalb des DKV trefft ihr in Süddeutschland womöglich noch auf:
Kyokushin-Kai
Hier handelt es sich um einen Vollkontakt-Stil, der bei manchen als der härteste Karate-Stil gilt. Das Trainingsmotto ist "durchhalten". Auch im Kyokushin-Kai werden Katas gelernt, von denen wir viele auch im Shotokan kennen. Die Gürtelfarben sind in der Reihung anders als sonst üblich. Nach weiß, folgen jeweils 2x rot, blau, gelb, grün, braun bevor mit dem Dan-Grad der schwarze Gürtel erworben wird.
Kissaki-Kai
Eine junge, "exotische" Stilrichtung aus Amerika, die auf Wirksamkeit im realen Zweikampf ausgerichtet ist. Daraus hat Vince Morris ein Selbstverteidungssystem entwickelt, das auch bei der amerikanischen Polizei gelehrt wird. Kissaki-Kai basiert auf den
"5 elements of combat"
- Ne-waza - Bodentechniken
- Nage-waza - Würfe
- Atemi-waza - Aktivieren von Vitalpunkten
- Shime-waza - Würgetechniken
- Kansetsu-waza - Hebeltechniken
Vince Morris hält immer wieder Lehrgänge in Bruchsal oder Frankfurt.